27.02.2019

Nürnberg/Bad Boll.
Am Anfang wurden zehn Thesen aufgestellt, bei deren Erfüllung zehntausend Menschenleben pro Jahr zusätzlich gerettet werden können. Das war vor sechs Jahren zu Beginn der „Bad Boller-Reanimationsgespräche“. So heißt es in der Thesen-Sammlung zum Beispiel ganz motivierend: „Leben retten ist cool: Die Wiederbelebung durch Laien muss eine Selbstverständlichkeit sein.“ Oder überzeugend: „Die spezialisierte Krankenhausbehandlung nach erfolgreicher Wiederbelebung ist überlebenswichtig: Diese Patienten müssen in spezialisierten Krankenhäusern behandelt werden.“ Zehn lebendige Sätze, die - jeder für sich - eine spürbare Verbesserung der Patientenversorgung bringen sollen.

In Fachartikeln und auf Kongressen oft zitiert

Inzwischen sind die „Bad Boller-Reanimationsgespräche“ zur wichtigsten Tagung von Experten für die Herz-Lungen-Wiederbelebung im deutschsprachigen Raum geworden. Alljährlich zu Jahresbeginn treffen sich einflussreiche Fachleute aus Wissenschaft und Medizin, von Krankenkassen, Ministerien und Rettungsorganisationen sowie aus vielen anderen Bereichen für zwei Tage im beschaulichen Bad Boll am Nordrand der Schwäbischen Alb, um die Reanimationsthesen weiter mit Leben zu erfüllen und dazu neue Ideen zu entwickeln: „Das Treffen hat Bedeutung“, sagt Organisator Professor Dr. med. Jan-Thorsten Gräsner, gleichzeitig Leiter des „Deutschen Reanimationsregisters“ und Vertreter im Präsidium des „Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten“ (BDA) und der „Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI) nicht ohne Stolz. Der Stellenwert der „Bad Boller-Reanimationsgespräche“ lasse sich allein schon daran ablesen, dass die Diskussionsergebnisse inzwischen regelmäßig in Fachartikeln und auf anderen medizinischen Kongressen zitiert und als Maßstäbe angesehen würden. Aus einem einfachen Expertenaustausch in der inspirierend ruhigen Umgebung der „Evangelischen Akademie“ von Bad Boll ist ein richtungsweisender Thinktank mit großer Strahlwirkung geworden.

Immer mehr Menschen helfen bei einem Herzstillstand

Wenn die Laienreanimationsquote in Deutschland innerhalb weniger Jahre von unter zwanzig auf mehr als vierzig Prozent mehr als verdoppelt werden konnte, ist das auch ein Erfolg der „Bad Boller-Reanimationsgespräche“: Immer mehr Menschen sind in der Lage, Herzdruckmassage auszuführen, wenn jemand einen Herzstillstand erleidet. In „Boll“ wurden viele wichtige Projekte angestoßen, die das Thema „Wiederbelebung“ in der Öffentlichkeit bekannter machen, Behörden in Aktion treten lassen, die rettenden Techniken vermitteln und so letztlich spürbar mehr Menschen vor dem Tod bewahren.

Neue Forderungen aufgestellt

Im Jahr sechs nach Gründung der „Bad Boller-Reanimationsgespräche“ haben die rund 50 Teilnehmer unter anderem gefordert, das Thema „Wiederbelebung“ noch stärker im Schulunterricht zu verankern: Früh übt sich, wer ein sicherer Retter werden will! Die Fachleute diskutierten außerdem, wie verfügbare Finanztöpfe für die weitere Verbreitung der Reanimationsschulungen entdeckt und genutzt werden können. Eine Herausforderung bleibt der Austausch von Daten zwischen Rettungsleitstellen, Rettungsdiensten und Krankenhäusern, um letztlich mehr über die Qualität, das Ergebnis und den Aufwand der Patientenversorgung zu erfahren und die Systeme sinnvoll weiterzuentwickeln: „Für eine Aufgabe, die wir erledigt haben, rückt sofort eine neue nach“, begründet Professor Gräsner die Notwendigkeit der Tagung.

Künftig „Reanimations- und Notfallgespräche“

Die Kompetenzen der Tagungsteilnehmer und der bisherige Erfolg der Veranstaltung sollen ab dem nächsten Jahr noch intensiver genutzt werden: Die „Bad Boller-Reanimationsgespräche“ haben den Zusatz „und Notfallgespräche“ hinzugewonnen. Nach bewährtem Konzept soll in Zukunft auch über andere Belange der Notfallmedizin beraten werden, zum Beispiel über die Organisation der innerklinischen Notfallmedizin oder die Versorgung von Schwerverletzten.

Fest steht also: Vieles, das man heute bei Rettungseinsätzen irgendwo in Deutschland als sinnvolle Strategie erkennen kann, hat seinen Ursprung in den „Bad Boller-Reanimationsgesprächen“ gehabt. Waren es bisher allein die zehn Thesen und ihre Erfüllung, werden es künftig mit großer Wahrscheinlichkeit noch viele andere rettende Ideen sein.