Die Folgen von Corona werden nun auch in den Daten der Versorgungsforscher sichtbar. Am 10. Februar 2021 fanden auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) sowie des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten (BDA) die 8. Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche statt, diesmal virtuell. Das Institut für Rettungs- und Notfallmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) war hier der Gastgeber im hohen Norden.

Forscher aus verschiedenen Disziplinen haben ihre vorläufigen Erkenntnisse zur Auswirkung der Corona Pandemie auf die Notfallversorgung in Deutschland zusammengetragen. Die Ergebnisse zeichnen kein klares Bild, sondern werfen Fragen auf: Woran liegt es, dass während der Pandemie tendenziell weniger Patienten im Rettungsdienst reanimiert werden, dass Kurzzeitüberleben aber gleich zu bleiben scheint?

Aus diversen Registern, wie dem Deutschen Reanimationsregister, liegen bislang große Datenbestände vor, auch wenn sie noch nicht abschließend auswertbar sind. Es könnte sein, dass sich die Pandemie als Katalysator herausstellt, um verschiedene Aspekte des Gesundheitssystems unter extremen Gesichtspunkten zu beleuchten. Betrachtet werden sollten unter anderem: Digitalisierung, ethische Fragestellungen, die Planung von Rettungsmitteln und Einsatzkonzepten, aber auch Ausbildung und Personalbedarf im Notfallwesen, sowie die klinische Versorgung. Die Daten aus den verschiedenen Registern, aber auch der vielen Leitstellen in Deutschland entwickeln sich hierbei zu einer unverzichtbaren Grundlage, für die notfallmedizinische Versorgungsforschung, zusätzlich aber auch für die Systemoptimierung des Gesundheitswesens in Deutschland. Die Digitalisierung in der Notfallmedizin bildete in diesem Jahr einen der beiden Schwerpunkte der Veranstaltung. Um die Diskussion zu diesem Thema verstärken, gab Frau Staatsministerin Bär ein Statement zur Digitalisierung in der Medizin ab.

Wo in den letzten Jahren die fachliche Diskussion häufig überlagert war durch berufsständische Interessen, tritt nun eine neue Betrachtungsweise in den Vordergrund. Durch substantielle Fragestellungen, wie den Infektionsschutz von Rettungspersonal in der Corona Pandemie, werden Konzepte und Fragestellungen durchdacht, die auch für längst bekannte Herausforderungen des Gesundheitswesens Anwendung finden können, zum Beispiel den Umgang mit multiresistenten Keimen. Der Vergleich mit Gesundheitswesen in anderen Regionen der Welt, zum Beispiel afrikanischen Staaten zeigt beispielsweise, dass das Rettungsdienst Personal dort routiniert im Umgang mit dem Schutz vor hoch kontagiösen Erregern ist, weil diese Einsatzkräfte sich regelmäßig mit der Bedrohung zum Beispiel durch hämorrhagisches Fieber und Tropenkrankheiten konfrontiert sehen. Für Deutschland, das bislang von solchen Erkrankungen verschont war, bedeutet die Corona Pandemie einen massiven Weckruf und befördert eine erhebliche Lernkurve nicht nur bei einzelnen Experten, sondern in der Breite des notfallmedizinischen Personals.

Diese und weitere Fragestellungen haben eine multidisziplinäre Diskussion in der Community der Notfall- und Reanimationsforscher ausgelöst. Einig waren sich die Teilnehmer, dass die Digitalisierung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Optimierung der Notfallversorgung und die zukünftige Entwicklung des Rettungsdienstes ist.

Die Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche sind zu einem etablierten Think Tank geworden. Hier treffen sich seit 2014 Notfallmediziner und Entscheidungsträger der Politik, medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden um zukünftige Konzepte der Notfallversorgung zu entwickeln. Die dort erdachten Konzepte finden bundesweit Anklang und werden in zahlreichen Initiativen und Projekten mit Leben gefüllt, um eine Verbesserung der Überlebensrate nach präklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand zu erreichen und das System der Notfallversorgung in Deutschland zu optimieren.

Für Rückfragen steht zur Verfügung:

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Institut für Rettungs- und Notfallmedizin
Prof. Jan-Thorsten Gräsner
Tel.: 0431 500-31500
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