Seit Mitte November wahrscheinlich deutlich weniger Operationen - Anästhesisten rechnen auch im Nordwesten mit Zunahme der Intensivbetten-Knappheit - Ankündigungen der Koalitionäre nicht ausreichend für Bewältigung der Pandemie

Nürnberg. Die deutschen Anästhesisten mit vielen Kolleginnen und Kollegen ihres Faches auf den Intensivstationen warnen vor einer Zunahme der Bettenknappheit. Die Verlegung von mehr als 80 Patienten in diesen Tagen aus Bayern, Sachsen und Thüringen bringe in den betroffenen Kliniken eine vorübergehende Entspannung, sagen die Sprecher des „Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten“ (BDA) und der „Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI). Es sei jedoch davon auszugehen, dass die katastrophale Lage, die derzeit im Südosten herrscht, bald auch auf die anderen Bundesländer übergreifen werde.


„Knick in der Kurve nicht absehbar“

„Derzeit müssen jeden Tag rund 100 weitere Covid-19-Patienten auf den deutschen Intensivstationen aufgenommen, versorgt, behandelt und beatmet werden“, beschreibt DGAI-Präsident, Professor Dr. Frank Wappler, die enorme Belastung für Ärztinnen, Ärzte, Pflegekräfte und das gesamte System. Und BDA-Präsident Professor Dr. Götz Geldner fügt hinzu: „Ein Knick in dieser ansteigenden Kurve ist nicht absehbar.“ Was den Medizinern in vielen Kliniken damit bleibt, sind die Priorisierung und eine Behandlung unterhalb der Standards: Die Überlegung in jedem Einzelfall, welche Patientin oder welcher Patient vorrangig behandelt werden muss. Manchmal werden Patient nur noch zur Stabilisierung auf eine Intensivstation verlegt, um sie dann nach wenigen Stunden wieder auf die Normalstation zurückzubringen. Einige Krankenhäuser sind auch wieder dazu übergegangen, Schwestern und Pfleger zu schulen, damit sie auf normalen Krankenhaus-Stationen auch schwerer kranke oder verletzte Patienten betreuen können.

 
Insbesondere Operationen mit intensivmedizinischer Überwachung betroffen

Statistiker, die auch im Auftrag des „Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten“ tätig sind, konnten für die Zeit bis Ende Oktober beobachten, dass die Krankenhäuser den Umfang ihrer operativen Versorgung aufrechterhalten haben, trotz Personalengpässe. Aktuelle Rückmeldungen der Krankenhaus-Manager ließen jedoch darauf schließen, dass die Zahl der geplanten Operationen seit Mitte November „deutlich“ zurückgehe. Davon betroffen seien insbesondere Operationen „mit einer anschließend notwendigen intensivmedizinischen Behandlung“. Mit allen denkbaren Folgen für Patienten und Kliniken. Konkretere Zahlen dazu liegen noch nicht vor: „Die Lage wird immer stärker auf dem Rücken der Nicht-Covid-Patienten ausgetragen“, kommentiert Professor Geldner das Geschehen.
 

Statt Einmalzahlung aus Milliarden-Budget dauerhaft bessere Vergütung gefordert

Der Anästhesisten fordern von den wahrscheinlich künftigen Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, als bisher angekündigt: Wenn die Koalitionäre über eine Impfpflicht sprächen, dürfe die nicht auf das Pflegepersonal beschränkt sein. Schwestern und Pfleger jetzt mit einer Einmalzahlungen aus einem Milliarden-Budget zu bedenken, reiche laut Professor Wappler nicht aus. Stattdessen müsse eine langfristig bessere Bezahlung nach Tarif umgesetzt werden. Und eine Diskussion um die Bevorzugung des einen oder anderen Impfstoffs zu führen, sei „absolut kontraproduktiv“, wenn man mehr Menschen zum Impfen bewegen wolle, sagen die Vertreter von BDA und DGAI, die in den vergangenen Wochen bereits zwei Briefe mit Forderungen an Bundesgesundheitsminister Spahn geschickt hatten.

BDA-Präsident Geldner erklärt: „Ein Kanzler Scholz muss Corona zur Chefsache machen! Jeder Tag, an dem die erforderlichen Maßnahmen gegen das Virus nicht glaubwürdig umgesetzt werden, ist ein verlorener Tag im Kampf um Menschenleben!“