Nürnberg. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem die gesetzlichen Regelungen zur Triage für nichtig erklärt wurden. Nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichts war der Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
„Das ist eine wichtige Entscheidung für die Therapiefreiheit und die Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte gegenüber ihren Patientinnen und Patienten“, betont DGAI-Präsident Prof. Dr. Gernot Marx. „Ärztliches Handeln muss sich an medizinischer Evidenz, fachlicher Kompetenz und ethischer Verantwortung orientieren – nicht an juristischen Vorgaben, die die Komplexität klinischer Entscheidungsprozesse nicht ausreichend abbilden.“
Während der Corona-Pandemie war die Triage angesichts überlasteter Intensivstationen in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt. Die nun vom Bundesverfassungsgericht verworfene Neuregelung war 2022 vom Bundestag als Reaktion auf diese Erfahrungen und Versorgungsengpässe beschlossen worden. Mit seinem Urteil hat das Gericht nun den Verfassungsbeschwerden von Intensiv- und Notfallmedizinern stattgegeben, die sich insbesondere gegen das gesetzliche Verbot einer sogenannten Ex-post-Triage gewandt hatten. Diese Regelung sah vor, dass eine laufende Behandlung zugunsten eines Patienten mit besserer Überlebenswahrscheinlichkeit nicht beendet werden darf.
„Das Verbot hätte es – und das nicht nur unter Pandemiebedingungen – Ärztinnen und Ärzten deutlich erschwert, notwendige Therapiezieländerungen im klinischen Alltag umzusetzen“, erklärt Intensivmediziner Prof. Marx. Diese Anpassungen seien jedoch gelebte Praxis in der Intensivmedizin.
„Die Entscheidung des Gerichts ist ein starkes Signal für die ärztliche Therapiefreiheit“, sagt BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck. „Sie unterstreicht, dass die Verantwortung für die bestmögliche Behandlung und die schwierigen Entscheidungen in Extremsituationen in den Händen derjenigen bleiben muss, die die Patientinnen und Patienten unmittelbar versorgen.“
Aus Sicht von DGAI und BDA ist es entscheidend, dass Fachgesellschaften und klinisch erfahrene Expertinnen und Experten in die Ausarbeitung zukünftiger Regelungen einbezogen werden. Nur so können praxisgerechte und medizinisch tragfähige Standards entwickelt werden, die Ärztinnen und Ärzte in Extremsituationen unterstützen, ohne sie zu überfordern.
„Die Triage ist keine theoretische Konstruktion, sondern eine medizinisch und ethisch äußerst anspruchsvolle Ausnahmesituation“, so DGAI-Präsident Prof. Marx. „Sie erfordert Erfahrung, Teamarbeit und eine sorgfältige Abwägung – dafür braucht es Vertrauen in die Fachkompetenz der Ärztinnen und Ärzte, nicht zusätzliche gesetzliche Hürden.“
Zugleich betonen DGAI und BDA, dass die beste Triage jene ist, die gar nicht notwendig wird. „Ziel muss bleiben, durch eine ausreichende Personalausstattung, verlässliche Strukturen und eine gute Koordination der Versorgung dafür zu sorgen, dass kein Patient aufgrund mangelnder Kapazitäten benachteiligt wird“, so BDA-Präsidentin Prof. Beck.

