02.12.2020

Nürnberg.
Die deutschen Anästhesisten lehnen eilige Bestrebungen ab, auf europäischer Ebene einen Facharzt für Intensivmedizin einzuführen.

Gemeinsam mit verschiedenen anderen medizinischen Fachgesellschaften, die an der Versorgung von Patienten auf den Intensivstationen beteiligt sind, haben die „Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI) und der „Berufsverband Deutscher Anästhesisten“ (BDA) ein Protestschreiben verfasst. Anlass hierfür ist eine Initiative der „European Society of Intensive Care Medicine“ (ESICM), die der EU-Kommission offenbar ohne vorherige Abstimmung neue Pläne zur Einführung eines Facharztes für Intensivmedizin auf europäischer Ebene vorgelegt hat.

„Überlebensrate bestätigt hohe Versorgungsqualität“

„Eine solche Initiative ist inhaltlich und formal inakzeptabel“, sagt DGAI-Generalsekretär, Professor Dr. Bernhard Zwißler. Er vermutet, dass die Corona-Pandemie hier zu berufspolitischen Zwecken missbraucht werden soll. In ihrem Protestbrief schreiben die Fachgesellschaften weiter: Gerade in diesen herausfordernden Zeiten müssten Reformen, die die intensivmedizinische Weiterbildung betreffen, sorgfältig abgewogen und alle beteiligten Fachgesellschaften und europäischen Länder gehört und einbezogen werden: „Die im europäischen Kontext - auch im Vergleich zu Ländern mit einem Facharzt für Intensivmedizin - sehr guten intensivmedizinischen Überlebensraten von Covid-19-Patienten in Deutschland und Österreich bestätigen die hohe Versorgungsqualität, die mit dem bestehenden System erreicht werden kann.“ Die Behauptung, dass durch die generelle Einführung eines Facharztes für Intensivmedizin Europa besser auf die Covid-19 Pandemie vorbereitet gewesen wäre, sei dadurch widerlegt.

Weiterbildung zum Facharzt und Prüfung in Intensivmedizin

In Deutschland und der überwiegenden Zahl der anderen europäischen Staaten gibt es bislang keinen eigenständigen Facharzt für Intensivmedizin. In diesen Ländern ist aber sichergestellt, dass sich die Ärzte in der Intensivmedizin weiter qualifizieren können. So besteht etwa in Deutschland für Fachärzte unterschiedlicher Disziplinen wie Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin oder Neurologie die Möglichkeit, nach Jahren der Qualifikation auf der Intensivstation eine Zusatzprüfung für „Spezielle Intensivmedizin“ abzulegen. Damit wird ihnen dann das vertiefte Wissen in der Intensivmedizin bescheinigt.

Dass es in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten keinen Facharzt für Intensivmedizin gibt, hat nach Ansicht der deutschen Anästhesisten und der anderen Fachgesellschaften gute Gründe: Weil die Intensivmediziner aus verschiedenen medizinischen Richtungen kommen, sei die Breite an Ansätzen und Wissen zur Therapie eines Patienten sehr viel größer. Das habe sich in der Vergangenheit und auch in der jetzigen Phase der Pandemie bewährt.

Fachgesellschaften dennoch gesprächsbereit

Dennoch signalisieren die Chirurgen und Internisten sowie die deutschen, österreichischen und europäischen Anästhesisten, die den Text unterzeichnet haben, ihre Gesprächsbereitschaft: „Wir bieten einen konstruktiven Dialog an, um auch zukünftig die bestmögliche Versorgung von kritisch kranken Bürgerinnen und Bürgern in Europa zu sichern.“ Die Einleitung eines solchen Diskussionsprozesses sehe aber auch eine Moderation durch die Fachärzte-Gemeinschaft „European Union of Medical Specialists“ vor. Nur so könne eine nachhaltige europäische Lösung gelingen.

Kontakt:
Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V.
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.
Roritzer Str. 27
90419 Nürnberg
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