20.10.2020

„Wir haben es jetzt mit anderen Bedingungen zu tun“ - DGAI-Intensivmediziner schließen Personalengpässe bei der Versorgung von Covid-19-Patienten nicht aus - Lager füllen, Videovisiten fördern und bewährte Behandlungskonzepte beibehalten.

Nürnberg. Führende Intensivmediziner halten Engpässe bei der Versorgung von Covid-19-Patienten in den kommenden Monaten nicht für ausgeschlossen: „Bei der zweiten Welle der Corona-Pandemie in diesem Winter haben wir es mit anderen Bedingungen zu tun als während der ersten Welle“, sagt Professor Dr. Gernot Marx, Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der „Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI). Der Aachener Mediziner verfügt über weitreichende Erfahrungen in der Therapie von Covid-19-Kranken und geht davon aus, dass auf den Intensivstationen in zwei Wochen deutlich mehr Patienten liegen werden als noch im Augenblick.

„Zweiter Marathon“ in kürzester Zeit

Das Problem bei der Versorgung könnten diesmal nicht die Intensivbetten oder Beatmungsgeräte werden. Derzeit sind noch rund 8000 Intensivbetten in Deutschland frei, weitere 12000 könnten innerhalb von sieben Tagen zusätzlich bereitgestellt werden. Marx erwartet mögliche Schwierigkeiten eher beim Personal, bei Pflegekräften und Ärzten: In Herbst und Winter seien grundsätzlich mehr Mitarbeiter krank als in anderen Jahreszeiten. Hinzu komme: Wer sich mit dem Corona-Virus infiziere oder mit einem der vielen Infizierten in Berührung komme, müsse erst einmal in Quarantäne: „All diese Fachkräfte fallen dann aus“, macht Professor Marx deutlich. Für das Personal bedeute die zweite Welle eine Art „zweiter Marathon“ in kürzester Zeit - und das sei sehr anstrengend!

Corona-Notfallpläne überprüfen und Lager füllen

Intensivmediziner Marx appelliert an seine Kollegen auf den Intensivstationen in Deutschland, die Corona-Notfallpläne aus dem Frühjahr jetzt noch einmal zu überprüfen: „Wir haben während der ersten Welle vieles gelernt, womit die Versorgung während der zweiten Welle noch besser sein wird“, sagt der DGAI-Experte Marx. Dazu gehöre auch, die Lager in den Krankenhäusern gut gefüllt zu haben, zum Beispiel mit Schutzausrüstung und auch mit speziellen Materialien wie Schläuchen für die ECMO-Therapie bei Akutem Lungenversagen.

Damit auch schwerkranke Covid-19-Patienten in entlegenen Krankenhäusern gut versorgt werden können, haben Marx und andere Mediziner aus Aachen und Münster das Projekt „Virtuelles Krankenhaus“ aufgebaut: In einer Videokonferenz schalten sich die Ärzte der Unikliniken Aachen und Münster mit ihren Kollegen zusammen, führen Visiten im Team durch und entwickeln gemeinsam individuelle Behandlungspläne für die Patienten. Angesichts der zu erwartenden Zahlen an Covid-19-Patienten fordert Marx die Krankenkassen und die Politik auf, die Finanzierung des Projektes vollständig zu sichern: „Wir sehen die sprunghaften Zuwächse bei den Intensivpatienten in Spanien, Frankreich und den Niederlanden. Warum sollte eine solche Entwicklung bei uns ausbleiben?“

Remdesivir: Sich von Vorausberichten nicht verunsichern lassen

Bei der Behandlung der Covid-19-Patienten rät Professor Marx, die bewährten Methoden aus den vergangenen Monaten beizubehalten. Stichwort Remdesivir: Die Weltgesundheitsorganisation bezweifelt die Wirksamkeit des Ebola-Medikaments bei der Therapie von Covid-19-Patienten. Hier empfiehlt Marx, sich nicht von Vorausberichten verunsichern zu lassen, sondern die endgültige Beurteilung in einigen Monaten abzuwarten. Marx und andere namhafte deutsche Intensivmediziner sind dabei, die Therapie-Empfehlungen für Covid-19 zum inzwischen vierten Mal anzupassen: „Eine solche Frequenz von Aktualisierungen ist eigentlich sehr ungewöhnlich, zeigt aber, wie eng wir zusammenarbeiten und wie wichtig uns das Thema ist!“

Professor Marx hofft, die Sterblichkeit von beatmeten Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen in den nächsten Monaten noch weiter senken zu können. Sie liegt laut einer aktuellen Studie bei etwa 50 Prozent: „Bessere Ergebnisse sind hauptsächlich durch eine bessere Versorgung erreichbar“, so Marx.

„Es geht um die Schonung und die Sicherung der Krankenversorgung insgesamt“

Er weist noch einmal auf die Gefährlichkeit der Covid-19-Erkrankung hin und nimmt die Bevölkerung in die Pflicht: „Es ist nicht die Zeit, auf das Recht zu feiern zu bestehen!“ Kontakte sollten seiner Ansicht nach auf wenige enge Freundschaften beschränkt werden. Es gehe in den nächsten Wochen nicht nur um hunderte oder tausende Patienten auf den Intensivstationen, sondern um die Schonung und Sicherung der Krankenversorgung insgesamt: „Müssten wir jetzt wieder Pflegekräfte und Ärzte zusätzlich auf die Intensivstationen holen, müsste in vielen Operationssälen das Programm wieder heruntergefahren oder ganz gestoppt werden.“

Kontaktdaten:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) /
Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA)
Roritzerstraße 27, 90419 Nürnberg
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0911 93378-33
www.dgai.de / www.bda.de