Neue Ausgabe des BDAktuell JUS-Letters mit folgenden Themen:
Mit dem BDAktuell JUS-Letter Juni 2022 hatten wir über das Urteil des OLG Bremen vom 25.11.2021 (Az. 5 U 63 /20) zur Bedenkzeit zwischen Risikoaufklärung und OP-Einwilligung berichtet. Der VI. Zivilsenat des BGH hat die OLG-Entscheidung in der Verhandlung vom 21.12.2022 aufgehoben und in den Leitsätzen des nun mit Gründen veröffentlichten Urteils festgestellt:
„a) In § 630e BGB sind die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Selbstbestimmungsaufklärung kodifiziert worden. Diese Grundsätze gelten inhaltlich unverändert fort.
b) § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB nimmt die bisherige Rechtsprechung auf, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Die Bestimmung sieht keine vor der Einwilligung einzuhaltende "Sperrfrist" vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde; sie enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste.
c) Zu welchem konkreten Zeitpunkt ein Patient nach ordnungsgemäßer - insbesondere rechtzeitiger - Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung trifft, ist seine Sache. Sieht er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, ist es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünscht er dagegen noch eine Bedenkzeit, so kann von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringt und von der Erteilung einer - etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen - Einwilligung zunächst absieht. Eine andere Beurteilung ist - sofern medizinisch vertretbar - allerdings dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötigt.
d) Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. Sie kann sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben.“
Das Urteil mit Gründen finden Sie in der Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs unter www.bundesgerichtshof.de.
Am Freitag wurde bekannt, dass die Bundesärztekammer (BÄK) die neue GOÄ – komplett mit Preisschildern – in Richtung Bundesgesundheitsministerium geschickt hat. Dass die Kammer dabei die letzten Verhandlungen mit dem PKV-Verband nicht abwartet, liegt offenbar nicht nur an den entsprechenden Beschlüssen des Ärztetages.
Die GOÄ-Testabrechnungen will die BÄK noch im Januar mit den Fachverbänden besprechen.
Insgesamt 5.595 Gebührenordnungsziffern sind in der neuen GOÄ zu finden. Das Machwerk gemeinsam mit zahlreichen Fachverbänden auf den Weg zu bringen, war ein Kraftakt für die Bundesärztekammer. Seit der Paragrafenteil und die umfangreichen Leistungsbeschreibungen fertiggestellt sind, heißt es, dass „nur noch“ die Preisschilder mit dem PKV-Verband verhandelt werden müssten. Bereits im vergangenen Sommer betonte PKV-Verbandschef Ralf Karntak, dass es bei den meisten Ziffern Vorschläge gebe, bei denen man „relativ dicht beieinander“ sei. Doch offenbar ist das letzte Stück des Weges schwer – und bei einigen Leistungsziffern keine Einigung in Sicht. Die GOÄneu steckt seit Monaten an diesem Punkt fest.
Die Delegierten des Deutschen Ärztetages hatten im Mai in Bremen aber deutlich gemacht, dass ihre Geduld endlich ist: Im Beschluss Ic - 137 „Gebührenordnung für Ärzte jetzt umsetzen“ geben sie der Spitze der Bundesärztekammer den Auftrag, die neue GOÄ zum Jahresende an Lauterbach zu schicken. Als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung PKV betont die BÄK bei der Übersendung an das Ministerium nun, dass das Novellierungsverfahren jetzt eingeleitet werden müsse, „um Verzögerungen zu vermeiden“.
Verzögerungen befürchten einige Insider nämlich, da sich die Gespräche zwischen BÄK und PKV um die Preise angesichts der Ergebnisse des vereinbarten Testbetriebs offenbar verkomplizieren. Zur Erinnerung: Die Kammer pocht darauf, dass alle Preise und eigenen Zahlen sauber betriebswirtschaftlich kalkuliert seien. Um letzte Zweifel zu zerstreuen, vereinbarten beide Seiten einen Testlauf: Seit Oktober 2022 wurden 1.500 Rechnungen aus dem Jahr 2021 – zum Abgleich jeweils durch die privatärztlichen Verrechnungsstellen als auch durch PKV-Mitgliedsunternehmen und Vertreter der Beihilfe – in die neue Gebührenordnung übersetzt und bewertet. „Dieser Testbetrieb dient dazu, die Auswirkungen der neuen GOÄ auf die Ausgabenentwicklung abschätzen zu können“, heißt es dazu aus der BÄK.
Doch was die Kostenträger beim Vergleich der neuen und alten Gebührenordnung bislang entdeckten, scheint ihnen wenig zu gefallen. Dies legt ein Schreiben des Berufsverbandes der Anästhesisten (BDA) vom Dezember nahe, das dem änd vorliegt. Der Verband beschwert sich darin, seitens der PKV „im Rahmen des sog. Pretests (…) zum wiederholten Male mit nicht nachvollziehbaren und falschen Berechnungen bezüglich der anästhesiologischen Leistungskomplexe mit angeblich exorbitanten Steigerungsraten konfrontiert“ worden zu sein. Aufgrund eigener Datenanalysen ließen sich diese nicht nachvollziehbaren Berechnungen des PKV-Verbandes widerlegen.
Der BDA betrachte es laut Schreiben „mittlerweile als Affront“, von immer wieder unterschiedlichen Vertretern der privaten Krankenversicherer mit redundanten und grob fehlerhaften Annahmen konfrontiert zu werden. „Die Selektion einzelner exotischer oder grob falsch berechneter Fallkonstellationen, die stoische Nichtberücksichtigung komplexierter Einzelleistungen und die Verweigerung einer Diskussion über betriebswirtschaftliche Grundlagen muss entweder als unseriöses Verhandlungskalkül oder als Ausdruck fehlender Kompetenz bezüglich des Versorgungsgeschehens, der medizinischen und der betriebswirtschaftlichen Grundlagen gewertet werden“, lautet das düstere Fazit des Verbandes.
Um die Blockadehaltung der Vertreter der PKV zu beenden, könne als Conclusio nur von der Bundesärztekammer gefordert werden, „den von der Ärzteschaft inhaltlich und betriebswirtschaftlich erarbeiteten Entwurf einer neuen GOÄ an das BMG zu übermitteln“. Der BDA sei nicht mehr bereit Ressourcen für ein offensichtlich zum Scheitern verurteiltes „Konsensprojekt“ aufzuwenden.
Neben dem Auftrag das Ärztetages also ein zweiter Grund für die BÄK, den arzteigenen Vorschlag direkt an Lauterbach zu schicken. Über die Ergebnisse der GOÄneu-Tests und den aktuellen Verhandlungsstand will die Kammer mit den ärztlichen Berufsverbänden und Fachgesellschaften noch im Januar diskutieren.
Die deutsche Anästhesiologie trauert um Prof. Dr. med. habil. Hans Wolfgang Opderbecke, der am 11. Dezember 2022 im hohen Alter von 100 Jahren verstarb. Die Beisetzung fand im engsten Familienkreis in Düsseldorf statt.
Über drei Jahrzehnte prägte Prof. Dr. med. habil. Hans Wolfgang Opderbecke die Geschicke der deutschen Anästhesiologie und der anästhesiologischen Verbände. So war er u. a. Vertreter der Krankenhausanästhesisten im Präsidium des BDA, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Wiederbelebung (DGAW; 1967 / 1968), erster Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI; 1977 – 1992), langjähriger Schriftführer des BDA (1972 – 1993) sowie Gesamtschriftleiter der A&I (1973 – 1993). Bis April 1993 leitete er ehrenamtlich die 1987 eingerichtete gemeinsame Nürnberger Geschäftsstelle von DGAI und BDA. In Würdigung seines Lebenswerkes verliehen ihm BDA und DGAI ihre höchsten Auszeichnungen wie die Ehrenmitgliedschaften der DGAI und des BDA (1987), die Heinrich-Braun-Medaille der DGAI (1994) und die Ehrenstatue des BDA für herausragende Verdienste („Hypnos“, 2001). Anlässlich seines 100. Geburtstages im Jahre 2022 haben die beiden Verbände Leben und Werk des nun Verstorbenen gewürdigt (Anästh Intensivmed 2022;63:V123, https://www.ai-online.info/images/ai-ausgabe/2022/06-2022/AI_06-2022_Verbaende_BDA-DGAI_Laudatio.pdf).
Die deutsche Anästhesiologie und ihre Verbände werden Herrn Prof. Dr. med. habil. Hans Wolfgang Opderbecke, einer der großen Gründerfiguren der deutschen Anästhesiologie, stets ein ehrendes Andenken bewahren.